Es ist noch gar nicht so lange her, dass Anleger*innen von jahrelangen Kurssteigerungen profitiert haben. Für viele ein großer Motivationsschub, der es einem leicht gemacht hat, an der Börse zu investieren. Dann kam es Anfang 2022 aufgrund diverser Krisen zum Einbruch an der Börse. Anleger*innen waren zunehmend verunsichert, ob eine Investition an der Börse nun noch das richtige sei. Auch bis heute, knapp ein Jahr später, haben sich die Kurse im Schnitt noch nicht wieder erholt.
Daher ist die Überlegung natürlich verständlich und nachvollziehbar, ob es überhaupt Sinn macht zum jetzigen Zeitpunkt in ETFs zu investieren oder ob es sinnvoller wäre zu warten, bis sich die Kurse wieder erholt haben.
Das Abwarten, bis ein idealer Einstiegszeitpunkt erreicht ist, wird fachkundig auch als Market Timing bezeichnet. Aber ist es eine gute Strategie, den perfekten Moment abzupassen?
2023 - Das Jahr der Rendite
Rückblickend lässt es sich immer leicht sagen, wann der perfekte Zeitpunkt gewesen wäre, an der Börse zu investieren. Zu oft ist das Verhalten an der Börse allerdings emotional getrieben und selten rational. Dabei sind Investitionen an der Börse immer als langfristige Investitionen anzusehen. Insbesondere aus dem Grund, um Schwankungen, die wohlgemerkt absolut normal sind, auszugleichen. So viel vorweg: Die Vergangenheit hat gezeigt, dass trotz vieler Krisen dennoch ein stetiger Aufwärtstrend an der Börse zu verzeichnen ist.
Um aber in Zeiten gefallener Kurse nicht ganz orientierungslos zu sein, empfiehlt es sich noch einmal mehr, seine Anlagen gut durchdacht vorzunehmen. Dabei kommt es auf die richtige Mischung der Anlageklassen und auch auf eine clevere Auswahl der ETFs an. Diesbezüglich kann bei der Zusammenstellung deines Depots auf folgende Aspekte geachtet werden:
Anleihen-ETFs zum Ausgleich von Schwankungen
Eine kleine Position an Anleihen-ETFs schützt vor Schwankungen und gleicht Verluste von Aktien-ETFs temporär aus.
Den Fokus auf Schwellenland-ETFs richten
Bei Aktien-ETFs stehen die Zeichen für Schwellenländer gut. Diese wiesen zwar in den vergangenen Jahren im Vergleich zu den Industrieländern eine schlechtere Performance auf. Allerdings haben Aktien aus Schwellenländern in 2022 nicht so schlecht abgeschnitten – im Vergleich zu den Krisenzeiten zuvor. Deshalb sehe ich hier für dieses Jahr ein gutes Renditepotenzial.
Strategie-ETFs als Renditeturbo nutzen
Was sind Strategie -ETFs?
Strategie-ETFs nutzen von Wissenschaftlern über Jahrzehnte identifizierte Marktanomalien, um langfristig eine bessere Rendite zu erwirtschaften als der Markt (Überrendite). Diese Anomalien sind beispielsweise unterbewertete, kleine und hochprofitable Unternehmen, die sich aufgrund von gewissen Rahmenbedingungen besser entwickeln (werden) als der Gesamtmarkt.
Diese Strategie-ETFs werden auch Faktor-ETFs genannt, da die Formeln und Faktoren der wissenschaftlichen Auswertungen zur Auswahl passender Unternehmen genutzt werden. Hier wird ein Index geschaffen, der vom Marktindex insoweit abgewandelt ist, dass er den vorher festgelegten wissenschaftlichen Kriterien entspricht.
Das Ziel dieser Strategie-ETFs ist es, den Markt renditemäßig zu schlagen, sozusagen Überrenditen zu erzielen. Diese Zielsetzung haben auch aktiv gemanagte Fonds. ETFs bilden jedoch einen Index nach und vereinen damit ein stückweit die Vorteile von einem passiven (kostengünstigen) und aktiven (Investieren nach Faktoren) Investment.
Der Unterschied zu klassischen ETFs ist darüber hinaus die Auswahl der entsprechenden Titel und deren Gewichtung. Diese werden aufwendig recherchiert und dienen als Entscheidungsgrundlage. Bei manchen Indizes passiert dies sehr transparent, bei anderen wiederum nicht. Je nach Indexanbieter existiert dann im fertigen Index eine hohe Diversifikation (es sind viele Unternehmen enthalten, deren Wertentwicklung der ETF abbildet) oder eine sehr geringe. Durch eine geringe Diversifikation leidet eines der Erfolgsgeheimnis von ETFs: Die Risikominimierung durch eine breite Diversifikation. Auch der Umschlag innerhalb des ETFs kann dadurch steigen, was wiederum die Kosten nach oben treibt.
Somit musst du dir als Investor*in deine Wunsch-Strategie-ETFs ganz genau anschauen, damit du dir sicher sein kannst, den richtigen zu finden, der mit deinen Zielen übereinstimmt.
Die bekanntesten Strategie-Faktoren sind:
Value
Value-Aktien sind Aktien von Unternehmen, deren Börsenwert deutlich unter ihrem Buchwert liegen. Investoren erhoffen sich beim Kauf dieser Aktie hohe Qualität zu einem kleinen Preis zu erwerben. Bei Anlegern sind diese Aktien im Vergleich zu den umjubelten Tech-Aktien nicht besonders beliebt.
Small Cap
Small-Cap-Aktien sind Aktien von etwas kleineren Unternehmen, die über ein höheres Risiko verfügen, allerdings auch über ein höheres Wachstumspotenzial. Investoren erhoffen sich bei Kauf dieser Aktien eine bessere Rendite als der Marktdurchschnitt.
Quality
Quality-Aktien sind den Value Aktien ähnlich, der Unterschied liegt allerdings darin, dass Quality Investing eine Weiterentwicklung des Value Investings darstellt. Denn über die Kennzahlen hinaus wird Wert auf Qualitätsmerkmale wie z. B. gut geführte Unternehmen, die wachsen und profitabel sind, gelegt. Der Faktor Qualität stellt bei den Faktoren einen Sonderfall dar, da diese Kriterien von Index zu Index unterschiedlich interpretiert werden. Die Aktien dieser Unternehmen werden häufig unterschätzt, da für die Entwicklung von innovativen Produkten anfangs hohe Ausgaben entstehen, die der Markt nur als Kosten interpretiert.
Momentum
Anleger, die auf den Faktor Momentum setzen, versuchen von Trends zu profitieren. Aktien, die einmal Kursfahrt aufgenommen haben, brauchen eine längere Zeit, um ausgebremst zu werden. Die Wahrscheinlichkeit ist statistisch gesehen sehr hoch, das Aufwärtsfahrten länger andauern, nach dem Motto „The trend is your friend“. Um solche Aktien zu identifizieren, wird der aktuelle Kurs der Aktie ins Verhältnis gesetzt zum Durchschnittskurs der letzten 12 Monate und dann mit 100 multipliziert.
Der Cost-Average-Effekt: Langfristiges Sparen stabilisiert die Rendite
Betrachtet man den DAX-Verlauf seit 1959, erkennt man, dass auf jede Krise zuverlässig eine Erholung erfolgt ist. Selbst wenn rückblickend ein Einmalbeitrag zum schlechtesten Zeitpunkt investiert worden wäre: Langfristig betrachtet war es im Nachhinein trotzdem besser, investiert zu sein, als das Geld auf dem Sparbuch zu belassen, zu sehr geringen Zinsen.
Historischer DAX-Chart 1959-2023, https://www.finanzen.net/index/dax/seit1959, Abfragedatum 12.01.2023
In der Praxis ist es darüber hinaus auch äußerst selten der Fall, dass nur ein Einmalbetrag investiert wird. In der Regel wird aus dem monatlichen Einkommen regelmäßig in einen Sparplan investiert. In diesen Fällen profitiert man sogar von den niedrigen Kursen - was noch einmal mehr dafür spricht, auch in Krisenzeiten seine Sparpläne weiter zu besparen.
Bei einer regelmäßigen Sparrate werden so viele ETF-Anteile gekauft, wie es der derzeitige Wert der ETFs zulässt. Bei niedrigen Kursen kaufst du somit mehr Anteile und bei hohen Kursen kaufst du weniger Anteile. Im Laufe der Zeit erwirbst du deine ETF-Anteile zu einem Durchschnittskostenpreis, das ist der Cost Average Effekt.
Langfristig stabilisiert sich die Rendite bei Aktien-ETFs auf etwa neun Prozent, gemessen am DAX der vergangenen dreißig Jahre. Große Ausschläge nach oben und auch nach unten gibt es beim Investieren im Schnitt nur am Anfang. Deshalb sollte nur das Geld investiert werden, das langfristig nicht benötigt wird. Ein langfristiger Anlagehorizont sollte ebenfalls vorhanden sein.
Fazit
Der beste Zeitpunkt zum Investieren war gestern, der zweitbeste ist heute. Noch nie war es so einfach wie heute, erfolgreich an der Börse zu investieren. Dass Geldanlagen besonders dann gewinnbringend sind, wenn sie langfristig angedacht sind, ist nichts Neues. Je länger dein Kapital arbeitet, umso höher ist dein Ertrag. Außerdem sinkt der prozentuale Sparbetrag bei einem langen Anlagezeitraum kontinuierlich. Somit beträgt die eingezahlte Summe oft nur einen Bruchteil der Endsumme. Bei einem monatlichen Sparplan erwirtschaftest du nach 10 Jahren meistens mehr Erträge, als du im ersten Jahr eingezahlt hast. Deshalb: Wer Geld anlegen möchte, kann damit gar nicht früh genug beginnen. Egal, welche Art der Geldanlage du wählst: Je früher der Beginn, desto höher fallen die Erträge aus.
Wir sollten uns darüber bewusst sein, dass es in der Wirtschaft und an der Börse immer Auf- und Abwärtstrends geben wird und die Börse langfristig immer steigen wird. Hier lautet die Devise "Buy and hold".
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich ein Investment in ETFs grundsätzlich lohnt, wenn man gewisse Regeln beachtet:
Mein persönlicher Tipp: Schaut nicht ständig in euer Depot und eignet euch das entsprechende Wissen an (z.B. im Rahmen meines ETF-Onlinekurses), damit ihr in Krisenzeiten entspannt bleiben könnt. Denn eins habe ich in den Jahren gelernt: Wissen ist Macht. Wer das Prinzip der Börse verstanden hat, kann investieren, sich zurücklehnen und Krisen entspannt aussitzen - Dann kann euer Geld am Besten wachsen. Der größte Einsteigerfehler ist, zu Tiefstkursen in Panik alles zu verkaufen oder aus Angst gar nicht erst zu starten.